Albanien, Europa
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Über Korça, Autos und Bauruinen

Heute wollen wir nach Korça fahren, „das Paris Albaniens“ wie die Stadt auch bezeichnet wird, mit einer Stadtarchitektur mit vielen osmanischen und französischen Einflüssen, breiten, von Bäumen gesäumten Boulevards und den üppigen Parkanlagen sowie viele Monumenten, Moscheen und Kirchen. Wir freuen uns auf die kleine Stadt, um am Tag darauf den Ohridsee in Nordmazedonien zu erkunden.

Wir verlassen Berat Richtung Elbasan. Auf der Fahrt hören wir immer wieder Podcasts, die uns über die Geschichte Albaniens und aktuelle Situation informieren. Uns war schon in den letzten Tagen aufgefallen, dass es super viele Mercedes Benz Autos in Albanien gibt. Überall auf den Straßen: Rentnerkarren, Kastenwagen, Protzkisten und Familienkombis, gebaut von Mercedes-Benz in Untertürkheim. Und dann auch in jeglichem Zustand, als schrottreife A-Klasse, solider Kombi oder neuer Maybach.

In unserem Podcast hören wir dann auch die spannende Geschichte warum das so ist: Während des kommunistischen Regimes von Enver Hoxha waren Privatautos in Albanien verboten. Nach dem Ende des kommunistischen Regimes in den Neunzigern kamen wieder Autos ins Land, vor allem europäische Marken. Doch die Straßen waren damals noch nicht in einem guten Zustand und die albanischen Schlaglochpisten wurden mit allen fertig. Die Autos fielen schließlich auseinander und die einzigen, die überlebten, waren die von Mercedes-Benz.

Der hatte noch nicht mal ein Nummernschild und fuhr trotzdem

Früher war der Marktanteil wohl mal bei 70%, heute schätzen wir liegt er bei 40-50%, Grund ist jeder Dorfmechaniker kennt die Autos in und auswendig und Ersatzteile sind überall und günstig zu bekommen.

Wer hat Vorfahrt?

Die Straßen sind manchmal richtig gut, manchmal voller Schlaglöcher, Leitplanken mal da, mal nicht. Es sind immer Tiere auf dem Straßen, entweder Hirten, die mit ihren Tieren entlang der Straße oder über die Straße leiten, manchmal freilaufende Tiere egal ob Kuh, Ziege, Huhn, Esel, Pferd oder Schaf. Später überqueren auch Schildkröten oder kleine Schlangen die Straße. Verkehrsregeln sind in Albanien maximal Richtlinien, Straßenschilder eher gut gemeinte Empfehlungen. 

Ziegen

Die Fahrweise der Albaner ist manchmal genauso wie man sich das vorgestellt hat. Fast and furious, schnell und wild. Kommt aber immer auf das Gefährt ab. Aber man fühlt sich beim Autofahren sicher, man muss nur gut aufpassen, was da die Straße kreuzt.

Ein Schloss?

Eine weitere Sache, die uns in den letzten Tagen aufgefallen ist beim Fahren durch die albanische Landschaft: Es gibt sehr viele Bauruinen oder unfertige Gebäude, manchmal sind wir auf Streckenabschnitten unterwegs auf denen fast jedes zweite Gebäude unvollendet ist. Teilweise sind die halbfertigen Häuser bewohnt, teilweise stehen sie leer… manchmal wird noch gebaut oder weitergebaut, das ist aber eher die Ausnahme. 

Im Podcast „Geschichten aus der Geschichte“ hören wir in Folge GAG109 alles über den Lotterieaufstand: Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus im Jahr 1991 herrschte in vielen Bereichen ein Mangel an staatlicher Regulierung. Dies führte insbesondere bei aufkommenden Themen wie Privatbesitz zu einer chaotischen Situation. Ein Bereich, der davon betroffen war, waren die Immobilien, in denen Schneeballsysteme entstanden. Dabei wurden der Bevölkerung enorm hohe Renditen versprochen. Tausende von Menschen verloren ihr gesamtes Vermögen, das sie in diese betrügerischen Schemen investiert hatten. Dies führte 1997 zu landesweiten Protesten und Unruhen und viele konnten ihre Projekte nicht zu Ende bauen.

Baugerippe

Wir haben Elbasan links liegen gelassen und nehmen die Landstraße SH89, die lange neben einem Fluss und Stausee Liqeni i Banjes entlang führt, der in allen Farben strahlt. Die Straße ist kaum frequentiert und als wir auf der rechten Seite das Restaurant Lundro entdecken lassen wir uns einen kleinen Cappucino schmecken und ärgern uns das wir keinen Hunger haben. Das Mittagessen sieht fantastisch aus.

Auf der Landstraße SH71 geht’s weiter, wir kommen gut voran und in 1,5h wären wir in Korça als unser Auto streikt und es zeitgleich ganz stark anfängt zu regnen. Das Gewitter ist direkt über uns und wir drehen erstmal um. In einem kleinen Café essen die Kids ein Eis und ich telefoniere mit der Audi Nothilfe, um zu verstehen, was wir tun müssen, um das Auto kurz zu checken. Es regnet mittlerweile in Strömen und die Temperatur sinkt von 28 auf frische 17 Grad runter. 

Leider ist der Audi Mobilitätsservice überall in Europa präsent nur nicht in Albanien, das konnte ich in mehreren Telefonaten feststellen und da das Auto ein Leasingwagen ist, darf auch nur ein offizielle Audiwerkstatt an das Fahrzeug. Also haben wir folgende Möglichkeiten: 

  • wir kehren um nach Griechenland, wäre aber die falsche Richtung. 
  • Wir fahren nach Korça und bleiben dort eine Nacht und würden nach Nordmazedonien weiterfahren. Das hatten wir eh geplant, weil wir den Ohridsee gerne besuchen wollen. Allerdings müssten wir dann nach Skopje weiterfahren und die Strecke wäre über 5h (300km).
  • Wir fahren nach Montenegro genauer in die Hauptstadt nach Podgorica, liegt 3,5 h entfernt und bisschen mehr als 200km. Vorteil wir fahren über Tirana und könnten dort im Notfall stoppen.

Stop im kleinen Café

Wir entscheiden uns für die Variante 3, da wir das Auto checken lassen wollen und verlassen ungeplant Albanien. Das Hotel in Korça stornieren wir kurzfristig. Die weitere Fahrt geht gut voran, das Auto spielt mit und am frühen Abend erreichen wir dann Podgorica, leider nicht das Ziel unserer heutigen Etappe. Das albanische Paris hätten wir jetzt lieber gesehen und wären gerne noch ein wenig in Albanien geblieben.

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