Am nächsten Morgen startet unsere Foodie Tour, Enrico bringt uns zu einer Acetaia, so heißen die Essigfabriken in Italien. Naja, richtige Fabriken sind es ja nicht, sondern meistens kleine Familienbetriebe. Uns empfangen Vater und Tochter Pagani und weisen uns in die Essigkunde ein.

Der Betrieb besteht seit knapp 40 Jahren erst und stellt besten Aceto Balsamico Tradizionale di Modena her. Ganz schön langer Titel, aber nur so heißt der echte Balsamicessig aus Modena und Umgebung. Nicht zu vergleichen mit dem Aceto Balsamico di Modena aus dem Supermarkt.

Der traditionelle Balsamicoessig oder auch gerne das schwarze Gold genannt wird aus Traubenmost hergestellt wird, im Gegensatz zum Supermarkt-Aceto, der nur aus Weinessig hergestellt wird. Die Trauben für den Balsamico-Essig stammen von den Reben der Lambrusco- und Trebbianostöcke. Der Most wird bei ziemlich niedriger Temperatur über offener Flamme 4 Tage eingekocht, bis mindestens die Hälfte der ursprünglichen Flüssigkeit verkocht und ein Sirup entstanden ist, der schon jetzt dicker ist als der angebliche „Aceto Balsamico“ aus dem Supermarkt. Nach einer Filterung wird diesem Sirup mindestens zehn Jahre alter Balsamessig und 10 % frischer Wein zugefügt. Diese Flüssigkeit kommt in das erste, große Holzfass.

Anschließend wird das Erzeugnis jeweils über mehrere Jahre in verschiedenen Holzfässern gelagert und der Essig wird durch Verdunstung des Wassers im Holzfass konzentrierter. Je älter der Essig, desto dickflüssiger wird er. Die verschiedenen Holzarten und die Fermentation verleihen dem Balsamico seinen eigentümlichen Geschmack und seine Farbe. Die Reihenfolge der Holzarten (Eiche, Edelkastanie, Vogel-Kirsche, Esche und Maulbeere) spielt dabei eine wichtige Rolle und gibt dem Essig zusätzliche Aromen. Alle Fässer sind offen und mit Tüchern bedeckt, damit stets Luft in den Fässern bleibt.

Die Fässer werden traditionell auf den Dachböden der alten Häuser gelagert und dabei starken Temperaturschwankungen ausgesetzt: Die große Hitze im Sommer sorgt für die weitere Reduzierung, und die Kälte im Winter fallen Trübstoffe aus. Die Fenster sind stets geöffnet, so dass die frische Luft vom Secchio durch die Räume wehen kann und die Verdunstung angeregt wird.

Jedes Jahr wird dem jüngeren ein Anteil des älteren Essigs hinzugefügt. Aufgrund dieser Rezirkulierung und der jahrelangen Eindickung bleibt am Ende nur noch eine relativ kleine Menge (je länger die Lagerungsdauer, desto kleiner die Menge) übrig. Dadurch braucht man immer kleinere Fässer, die übrigens Batteria genannt werden. So entsteht der Essig über viele, viele Jahre aus einer Mischung der unterschiedlichen Jahrgänge. Das ist ein Grund, warum kein Alter auf den Essigflaschen stehen darf.

Wir probieren uns durch und freuen uns ein kleines Sortiment demnächst auch in unserer Küche stehen zu haben.
